Bayerische Telemedizinprojekte –
Verwaltung/Dokumentation/Datenaustausch – NuSiB

Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) sollte ursprünglich zum 01.Januar 2006 eingeführt werden (BRD 2004). In der Folge ergaben sich immer wieder Verzögerungen. Das Projekt NuSiB sollte die verspätete Einführung im der Pilotregion Ingolstadt wissenschaftlich begleiten. Eine Einführung ist bis zum Projektende am 30 November 2011 jedoch noch nicht vollzogen worden. Die Eckdaten des Antrags basierten auf den Plänen der gematik des Jahres 2008 (Bonerz 2008). Hier wurden Planung der Einführung sowie die notwendigen Tests im Vorfeld der Einführung terminiert.

Der Feldtest der Online Anwendungen, der mit 100.000 Versicherten bis Mitte 2010 durchgeführt werden sollte, konnte bis zum Projektende in Bayern noch nicht gestartet werden. Ferner wurden inhaltliche Änderungen bezüglich der zu testenden Fachanwendungen vorgenommen. Die planmäßige Vollendung der ursprünglichen Projektpläne war unter diesen Umständen nicht möglich. Um das Projektziel, die Akzeptanzbildung durch die Vermittlung von Nutzen und Sicherheit der eGK, dennoch bestmöglich zu erreichen, war es essentiell, die Maßnahmen und Bewertungen auf die aktuellen Rahmenbedingungen des Projektes abzustimmen. Obwohl die eGK auf dem Deutsche Ärztetag 2010 von den Leistungserbringern weiterhin mehrheitlich ablehnt wurde, haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesgesundheitsminister Philipp Rößler für die zügige Einführung der eGK ausgesprochen (Krüger-Brand 2010). Eine zeitnahe Einführung der eGK in Bayern ist daher naheliegend, weitere Änderungen am Konzept aber wegen der Widerstände nicht ausgeschlossen. Gerade unter diesen Umständen bringen die Materialien und Bewertungen des Projektes NuSiB einen wertvollen Beitrag zu einer reibungslosen Einführung der eGK durch Akzeptanzmaximierung bei den Nutzern. Die Handlungsempfehlungen aus den Ergebnissen des Projekts liefern damit einen langfristigen Beitrag zur reibungslosen Umsetzung der Gesundheitstelematik in Bayern liefern.

• Technischen Universität München
• Universität zu Köln
• Ärztenetz GO IN

Im ersten Schritt des Projektes wurde die Akzeptanz innerhalb der Ärzteschaft des Praxisnetzes GO IN detailliert erfasst. Zu diesem Zweck wurden umfangreiche Fragebögen konzipiert und an alle 500 Ärzte des Praxisnetzes verschickt. 117 Ärzte beantworteten den Fragebogen, damit konnte eine repräsentative Erhebung gewährleistet werden. In der Auswertung konnten die Ärzte in zwei Gruppen eingeteilt werden. Die größere Gruppe von Ärzten (41%) befürwortet die Einführung der eGK und sieht weitreichende Potentiale im Zuge der Vernetzung des Gesundheitswesens. Die kleinere Gruppe von Ärzten (25%) lehnt die Einführung ab und sieht keine Potentiale in einem vernetzten Gesundheitswesen und den damit verbundenen Veränderungen. Die verbleibenden 34% konnten keiner der Gruppen eindeutig zugeordnet werden (Dünnebeil et al. 2010a).

Ferner wurden bedeutendsten Haupteinflussfaktoren für die Technologieakzeptanz von Ärzten untersucht. Dabei wurde herausgearbeitet, dass Ärzte, die bisher IT schon stark nutzen, hohe Datensicherheitsansprüche, prozessbasierte Behandlungsabläufe, Wissen über Telematik-anwendungen, hohe Dokumentationsaufwände und Bedarf an Standardisierung haben, Befürworter der eGK und der Telematikinfrastruktur sind (Dünnebeil et al. 2012c).

Auf dieser Basis wurden mehrere Strategien für die Einführung der eGK erarbeitet. Dabei wurden Datenmodelle empfohlen, die innerhalb von Telematikanwendungen verwendet werden sollen. Ferner wurden Empfehlungen für die Patientenaufklärung, die organisatorische Datensicherheit und die Anbieterstruktur von Telematikanwendungen gemacht. Auch auf die zentrale Forderung, auf die persistente Speicherung von Patientendaten, wurde im Detail eingegangen und die Empfehlung aufgestellt, aus Akzeptanzgründen zentrale Patientenakten zu verzichten (Dünnebeil et al. 2010b).

Ein zentraler Punkt in der Akzeptanzproblematik, der neben den genannten Einflussfaktoren zu Tage getreten ist, war die Befürchtung von Ärzten, dass die Einführung von eGK und Telematikanwendungen mit weitreichenden finanziellen Einbußen verbunden ist. Daraufhin wurde gezeigt, wie Telematikanwendungen der eGK mit Geschäftsmodellen für Ärzte verbunden werden können, um zusätzliche Einnahmen durch Prävention, Skaleneffekte und Effizienzsteigerungen innerhalb der Ärzteschaft zu erzielen (Dünnebeil/Leimeister/Krcmar 2012b).

In einem weiteren Beitrag wurde gezeigt, wie Krankenkassen durch die strukturierte Allokation von Finanzmitteln einen Markt für IT-basierte Prävention aus Basis von Telematikanwendungen erschaffen können, der Einnahmen für Ärzte und Anreize für Technologiefirmen bietet. Damit sollen Anreize für IT Innovationen im Gesundheitswesen geschaffen werden (Dünnebeil et al. 2012a).

Die Basis für solche telematikbasierten Innovationen bieten Mehrwertanwendungen der eGK, die flexible Entwicklung und Bereitstellung von Anwendungen ermöglicht, die nicht von staatlichen Institutionen spezifiziert werden. Dabei kann auf die etablierten Sicherheitsmechanismen und Technologiekomponenten der Telematikinfrastruktur zurückgegriffen werden, ohne diese individuell entwickeln zu müssen. Dabei können erhebliche Ersparnisse für Technologieanbieter erzielt werden, die Sicherheit unterliegt den im Gesundheitswesen vereinbarten Standards (Dünnebeil et al. 2009b). Diese Anwendungen können über Portale integriert werden und sind so auch für Patienten verfügbar, die Autorisierung und Dokumenteneinsicht vornehmen können (Dünnebeil et al. 2009a).

In der Folge wurde gezeigt, wie solche Mehrwertanwendungen entworfen und implementiert werden können. Dafür wurde eine Softwarearchitektur für Mehrwertanwendungen der eGK konzipiert. Diese Architektur basiert auf den Anforderungen von Ärzten, greift also die zentralen Kritikpunkte der Ärzteschaft auf und übersetzt sie für die Struktur von Telematik-Software. So wird auf die zentrale Speicherung von Patientendaten komplett verzichtet, die Anwendungen mit Geschäftsmodellen verbunden und an etablierten Versorgungsprozessen ausgerichtet, die im Gesundheitswesen bereits etabliert sind (Dünnebeil et al. 2012d). Auf dieser Basis wurden exemplarisch vier Mehrwertanwendungen entworfen und prototypisch implementiert.

Die erste Anwendung ermöglicht Telemonitoring für Patienten mit chronischer Herzkrankheit. Dabei sollen Kosten durch die tägliche telematikbasierte Prävention eingespart werden, indem Krankenhausaufenthalte durch dekompensierte Herzinsuffizienz verhindert werden. Die dabei eingesparten Mittel werden an die Ärzte und die Technologieanbieter ausgeschüttet. Die Anwendung generiert somit eine zusätzliche Einnahmequelle durch eine neue Gesundheitsdienstleistung im Bereich der Prävention (Dünnebeil/Leimeister/Krcmar 2011a).

Die zweite Anwendung zielt auf die Erzielung von Skaleneffekten beim Einkauf von Hilfsmitteln im Verbund eines Praxisnetzes. Die Einsparungen, die gegenüber den Einzelverschreibungen erzielt werden, sollen partiell an die Ärzteschaft ausgeschüttet werden. Als Basis wurde die eVerordnung von Hilfsmitteln konzipiert, die einen Integrierten Versorgungsvertrag umsetzt, der den gebündelten Einkauf von Hilfsmitteln ermöglicht (Dünnebeil et al. 2011d).

In der dritten Anwendung wurde ein integriertes Termin- und Überweisungsmanagement für Facharztbehandlungen implementiert. Dies soll die telefonische Koordination von Facharztterminen überflüssig machen und den fallspezifischen Transport von medizinischen Daten zwischen Fach- und Hausarzt ermöglichen. Die Anwendung zielt aus die Effizienzsteigerung innerhalb der Ärzteschaft, indem administrative Aufwände bei Terminvereinbarung und Datenerfassung abgebaut werden (Dünnebeil et al. 2011c). Auch die Übertragbarkeit für Krankenhauseinweisungen von Facharztterminen aus Krankenhauseinweisungen konnte gezeigt werden (Dünnebeil et al. 2010c).

In einer vierten Mehrwertanwendung konnte gezeigt werden, wie in Altenheimen und Wohnungen von älteren Personen verschlüsselte Notfalldatensätze auf Basis von Near Field Communication (NFC) vorgehalten und an zentralen Plätzen angebracht werden können. Diese Informationen können im Fall von Notarzteinsätzen in kurzer Zeit eingelesen und digital verarbeitet werden, was zu einer Verbesserung der Datenverfügbarkeit in Notsituationen führen kann (Dünnebeil et al. 2011b).

Das Thema Sicherheit konnte nur retrospektiv betrachtet werden, da gegenwärtig nicht klar ist, wie die finale Ausgestaltung der Telematikinfrastruktur und ihrer Fachanwendungen genau aussehen wird. Daher wurden die zentralen Sicherheitsbedenken der früheren Telematik-Spezifikationen adressiert und Lösungsvorschläge gemacht (Sunyaev et al. 2010). Ferner wurden die Primärsysteme untersucht, die die Telematikinfrastruktur verwenden sollen (Sunyaev et al. 2009). Die gegenwärtige Ausgestaltung der eGK ermöglicht nur das Auslesen von Patientenstammdaten, was dem Funktionsumfang der alten Krankenversichertenkarte (KVK) entspricht.

Für zukünftige Behandlungsabläufe wurden dennoch Maßnahmen zur Risikosteuerung bei Verwendung der Telematikinfrastruktur ausgearbeitet, um die Sicherheit auch in Zukunft im ausreichenden Maß gewährleisten zu können (Teichmann et al. 2011).

Sebastian Dünnebeil (Technische Universität München)
Alexander Kaletsch (Technische Universität München)
Christian Margolus Zavala (Technische Universität München)
Ali Sunyaev (Universität zu Köln)