Bayerische Telemedizinprojekte – Therapie –
Aphasie-Therapie “online”

Hintergrund und Ziele:
Synchrone Teletherapie (Synchrotel) ermöglicht Kommunikation in Echtzeit durch die Verwendung eines interaktiven Videosystems. Dadurch entsteht eine „face-to-face“ Situation, vergleichbar mit dem Setting der konventionellen Sprachtherapie. Unter primärer Berücksichtigung der Ziele einer partizipations- und alltagsorientierten Therapie wurde für schwer und mittelschwer betroffene chronische Aphasiepatienten eine neue Therapiemethode mit dafür neu konzipiertem digitalisierten hierarchiegestaffelten Therapiematerial entwickelt. Neben der Funktionsstörung wurden die von der ICF geforderten Kriterien Partizipation und Lebensqualität explizit miteinbezogen. Ausgegangen wurde von der Arbeitshypothese, dass eine Aphasie-Therapie, die dem Patienten das Erlernen einer verbesserten kommunikativen Partizipation am Alltag ermöglicht, in beiden Therapiesettings zu Verbesserungen der interaktiven Kommunikationsfähigkeit im Alltag führen kann. In Anlehnung an Bauer/Auer 2008 fordert das Konzept der interaktions- emotionsund motivationsorientierten Sprachtherapie eine Entwicklung und Erweiterung von Problemlösungskompetenzen der Aphasiker und ihrer relevanten Gesprächspartner. Durch die gewählte Methode gezielter (metasprachlicher) Interventionen sollte ein intensives Training des Gebrauchs ungenutzter Ressourcen und eine Modifikation schon verwendeter Strategien erreicht werden.

Methode:
In einer prospektiven Vergleichsstudie (face to face vs. screen to screen) wurde die Effizienz telemedizinischer Online-Sprachtherapie bei 16 Patienten nach Hirninfarkt mit schwerer chronischer Global- (G – A) und Broca- Aphasie (B – A) überprüft.
Im Rahmen der Intensiv-Therapiestudie wurde nicht ein neues computerbasiertes Therapieprogramm entwickelt, sondern primäres Studienziel war es, „Synchrotel“ d.h. die synchrone Teletherapie als neue zusätzliche Sprachtherapieform zu etablieren. Bei dieser Form der Sprachtherapie erfolgt die Audio- und Video-Kommunikation zwischen beiden Seiten online und synchron über Bildschirm, Kamera und integrierte Mikrophone. D. h. die sprachtherapeutische Leistung wird zeitgleich und persönlich, aber ortsunabhängig erbracht. Insgesamt fanden 402 Einzelbehandlungen statt.

Folgende Fragestellungen wurden untersucht:
• Ist Synchrotel genauso effektiv wie konventionelle Sprachtherapie?
• Welche sprachtherapeutischen Interventionen führen bei chronischen Aphasikern zu Verbesserungen?
• Gibt es Unterschiede in der Art der Verbesserung zwischen Präsenztherapie und Synchrotel?

Bezirkskrankenhaus Bayreuth
Akademisches Lehrkrankenhaus des Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

In beiden Gruppen konnten signifikante Verbesserungen sowohl auf Einzelfallniveau als auch auf Gruppenniveau nachgewiesen werden.
Entgegen der Ausgangserwartung zeigen sich häufiger positive Veränderungen in der Teletherapiegruppe. Die Untersuchungen zeigen nicht nur Leistungsverbesserungen auf der Symptomebene, sondern auch Therapieeffekte im kommunikativ-pragmatischen Bereich. Trotz chronischer Aphasie waren Schweregradverbesserungen und zweimal ein Syndromwandel testdiagnostisch durch den Aachener Aphasie-Test (AAT) nachweisbar (vgl. Diagramm 1 und 2).

Projektleiter: Prof. Dr. med. Dipl. Psych. Matthias Keidel