Bayerische Telemedizinprojekte – Prävention – CardioBBEAT

Eckpunkte der RCT-Studie
CardioBBEAT wird durchgeführt als eine randomisierte, kontrollierte, offene, multizentrische Studie auf höchstem Evidenzniveau mit zwei Studienarmen, die auf unterschiedlichen Versorgungskonzepten aufsetzen. Alle teilnehmenden Patienten leiden an chronischer Herzinsuffizienz, erhalten ambulant eine leitlinienorientierte Behandlung analog der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie („best medical treatment“) oder werden nach einer zufälligen Auswahl zusätzlich mit einer interaktiven Telemonitoring-Lösung versorgt. Die Versorgungsituation zeichnet sich durch Praxisrelevanz und -nähe aus.

Im Zeitraum von Januar 2010 bis Juni 2013 wurden an den zehn teilnehmenden klinischen Prüfzentren insgesamt 626 teilnehmende Patienten gewonnen, welche die Studie in zwölf Monaten durchlaufen. Von diesen entfallen 302 Patienten auf den Telemonitoring-Versorgungsarm und 324 Patienten auf den Vergleichs-Versorgungsarm.

Studienablauf
Die dem Telemonitoring-Versorgungsarm zugeordneten Patienten erhalten kostenfrei zuhause eine bidirektionale Unterstützung nach individuellem Versorgungsplan, welche den täglichen Kontakt zwischen Patient und behandelndem Arzt ermöglicht. Über ihr Fernsehgerät und eine gesicherte Internetverbindung haben die Patienten die Gelegenheit, subjektive und objektive Daten einzugeben und anzusehen sowie personalisiertes Feedback, Schulungsinhalte, Fragebögen und Erinnerungen zu erhalten. Telefonkontakte ergänzen dies und können sowohl durch das zuständige Klinikpersonal als auch durch die Patienten veranlasst werden. Täglich morgens werden die Parameter Gewicht, Blutdruck und Puls gemessen, durch das Telemonitoring-System Motiva® kabellos über eine sichere Verbindung an die zuständigen Kliniken geschickt und dort analysiert. Dadurch werden der aktuelle Zustand der Patienten kontinuierlich überwacht und Risikosituationen frühzeitig erkannt. Geben die Daten Anlass zur Sorge, löst das System unmittelbar entsprechende Rückmeldungen für die Patienten und das medizinische Personal der klinischen Prüfzentren aus, welches die Patienten und/oder deren behandelnde Ärzte informiert.

Die Rückmeldungen erfolgen individualisiert, zielgerichtet sowie krankheitsspezifisch per Telefon oder über das Telemonitoring-System. Insgesamt ermöglicht dieses nicht nur die Überwachung des Gesundheitszustands, sondern zielt auch auf eine Optimierung des Gesundheitsverhaltens der teilnehmenden Patienten ab. Diese werden sowohl einführend in dem zuständigen klinischen Prüfzentrum als auch im Rahmen der Installation der technischen Geräte (Motiva®-Box zum Anschluss an das Fernsehgerät sowie über Bluetooth verbundene Waage und Blutdruckmessgerät) ausführlich in deren Benutzung geschult.

Die Vergleichsgruppe bildet den zweiten Versorgungsarm. Hier erhalten die teilnehmenden Patienten ausschließlich die leitlinienorientierte Behandlung analog der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie („best medical treatment“) und damit die aktuell empfohlene und mutmaßlich häufigste Behandlungsalternative.

Datenmanagement und Qualitätssicherung
Die für alle wissenschaftlichen Studien empfohlenen GCP-Grundsätze, die Deklaration von Helsinki sowie weitere einschlägige Vorschriften zum Umgang mit Sozialdaten werden eingehalten. Dies wurde im Prüfplan niedergeschrieben, bei der Erstellung sämtlicher Dokumente berücksichtigt und durch die zuständigen Behörden, Ethik- und Datenschutzkommissionen bestätigt. Jeder Patient wird vor Aufnahme in die Studie ausführlich durch den behandelnden Arzt über Bestandteile, Ziele, erwartete Vorteile und mögliche Risiken informiert und muss seine Einwilligung zur Teilnahme schriftlich erklären.

Alle patientenbezogenen Daten werden in elektronischen Prüfbögen pseudonymisiert dokumentiert und verarbeitet. Um eine hohe Datenqualität zu gewährleiten, ist eine fortlaufende und regelmäßige Kontrolle der erhobenen Daten integriert. Diese Überprüfung erfolgt durch Stichprobenkontrollen und statistische Tests. Nicht plausible oder fehlende Daten werden kommentiert und im Rahmen einer Wiedervorlage nach Möglichkeit korrigiert oder ergänzt.

Das Monitoring der klinischen Prüfung erfolgt kontinuierlich und eigenständig. Jedes klinische Prüfzentrum erhält einen einführenden Initiierungsbesuch sowie regelmäßige Audits, in welchen die Richtigkeit und Vollständigkeit der Studiendaten, das Einhalten des Prüfplans sowie die Beachtung geltender Gesetze und Richtlinien kontrolliert und dokumentiert wird. Unerwünschte Ereignisse werden in Bezug auf deren Zusammenhang mit der Studie beurteilt, dokumentiert und gemeldet. Hieraus werden Empfehlungen für das weitere Vorgehen abgeleitet.

Wissenschaftliche Institutionen:

• Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften der Universität Bayreuth

• Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf

• Clinical Trial Center North

Klinische Prüfzentren:
• Deutsches Herzzentrum Berlin
• Klinik am See Rüdersdorf
• Vivantes Klinikum Neukölln
• Jüdisches Krankenhaus Berlin
• Universitäres Herzzentrum Hamburg
• Deutsches Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg
• Städtisches Klinikum München-Bogenhausen
• Kliniken Essen Süd
• Contilia Herz- und Gefäßzentrum Essen/Mülheim

Industriepartner:
• Philips Medizin Systeme GmbH

•T-Systems Business Services GmbH

Krankenkassen:
• Techniker Krankenkasse
• DAK-Gesundheit

Die angewandte Versorgungsstrategie verspricht im Vergleich zu einer nur leitlinienorientierten Behandlung einen zusätzlichen Nutzen in Form gleicher oder verlängerter Überlebenszeit bei längerer Zeit, die nicht in der Klinik oder im Pflegeheim verbracht wird. Die duale Ausgestaltung der Studie ermöglicht ergänzend die Gegenüberstellung der dafür insgesamt aufgewendeten finanziellen Mittel in Form entstandener Kosten und die Bewertung der Effektivität und Effizienz. Gerade zu Letzterem existieren bis dato insbesondere national, aber auch international, noch große Defizite hinsichtlich der gesundheitsökonomischen Evaluation solcher Programme.

Die aktive Studienteilnahme und Einhaltung des vorgesehenen Versorgungsplans wird in beiden Versorgungsgruppen ausgewertet. Dies erfolgt durch den Abgleich der im Patiententagebuch eingetragenen Werte mit den Empfehlungen des Versorgungsplans. Bei Patienten im Telemonitoring-Versorgungsarm wird dies ergänzt durch die Kontrolle der Übermittlung der gemessenen Werte. Unterbleibt diese, erfolgt eine Kontaktaufnahme durch die zuständige Klinik, wobei deren Ursachen erfragt und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Damit führt aus Patientensicht die Nichteinhaltung des vorgesehenen Versorgungsplans im Telemonitoring-Versorgungsarm zu einem systembedingten Feedback, während dies in der Vergleichsgruppe unterbleibt.

Aufbauend auf der anerkannten Bedeutung des klinischen Nutzens des telemedizinisch gestützten Monitorings von Patienten mit Herzerkrankungen können durch die Überprüfung der Effektivität und Wirtschaftlichkeit optimierte Therapiekonzepte erkannt und eine Fehlallokation von Ressourcen vermieden werden. Subgruppen- und Sensitivitätsanalysen ermöglichen die Identifikation besonders profitierender Patientengruppen sowie die Bewertung verschiedener Aspekte der Betreuung. Die Betrachtung in quartalsweisen Intervallen von 90 Tagen gibt Aufschluss über den zeitlichen Nutzen- und Kostenverlauf. Die genannten Gesichtspunkte ermöglichen die Ermittlung systemspezifischer Auswirkungen auf das deutsche Gesundheitswesen.

Vor diesem Hintergrund werden die Datenbasis für Entscheidungen von Politik und Krankenkassen erweitert und transsektorale Kooperationen unterstützt. Dies fördert die Absicherung und Verbesserung der Qualität der ärztlichen Versorgung durch Generierung und Verknüpfung von Informationen und Prozessen. Letztlich beabsichtigt ist eine Effizienz- und Effektivitätserhöhung des deutschen Gesundheitssystems sowie die Entwicklung einer spezifischen Methodik für die gesundheitsökonomische Bewertung telemedizinischer Technologien. Mit den konkreten Ergebnissen ist im Jahr 2015 zu rechnen.

2009-2015
Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung
(FKZ 01KX0805 – CardioBBEAT – Gesundheitsökonomische Methodenentwicklung am Beispiel der Evaluation einer technologiebasierten, sektorenübergreifenden Intervention zur Versorgung chronisch kranker Patienten)

Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften der Universität Bayreuth
Herr Reiner Handlbauer
Prieserstraße 2
95444 Bayreuth
Tel.: 0921 55 48 10
Fax: 0921 55 48 02
Mail: reiner.handlbauer@uni-bayreuth.de

Projektleiter:

Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Eckhard Nagel
Prof. Dr. Klaus Nagels
Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften  der Universität Bayreuth